Im Zuge einer Besuchsreise von Vertretern des Bundesinnenministeriums und der AG Internationale Polizeimissionen im letzten Jahr nach Mali, an der auch hochrangige niedersächsische Polizeibeamte teilnahmen, äußerte die malische Seite den Wunsch einer Kooperation mit einer deutschen polizeilichen Bildungseinrichtung. Innenminister Boris Pistorius unterbreitete daraufhin seinem malischen Amtskollegen ein Kooperationsangebot mit unserer Polizeiakademie. Im August 2017 kam es dann zu zum Besuch einer hochrangigen malische Polizeidelegation unter Leitung des Direktor General der Police de Mali und des Direktor de École Nationale de Police Mali (ENP) in Hannover und Nienburg. Begleitet wurde die Delegation von PD Klaus-Dieter Tietz, der als nds. Beamter und Angehöriger unserer Akademie seit zwei Jahren im Rahmen der UN Mission MINUSMA vor Ort in Bamako polizeiliche Aufbauarbeit leistet.

Während der Gespräche wurden erste Eckpunkte für eine Kooperation und Unterstützung im Zuge einer Mentoren- und Beratungsfunktion der PA für die ENP herausgearbeitet. Den Ansatz der Zusammenarbeit aufgreifend, hat die PA in den darauf folgenden Wochen einen schriftlichen Kooperationsvertrag vorbereitet und dem Direktor der ENP unterschriftsreif vorabgestimmt.

Schon am letzten Tag des Besuches der malische Delegation in Niedersachsen wurde als möglicher Zeitraum für den Gegenbesuch die 46. KW 2017 vereinbart. Die Reisedelegation, die sich vom 11. – 16.11.2017 auf den Weg nach Bamako machte, setzte sich aus drei Beschäftigten der PA zusammen. Dieses waren neben dem Delegationsleiter Carsten Rose, PHK Jürgen Pape (LfbA im Studiengebiet 5, erfahrener Trainer im Bereich KT) sowie PKA’in Yasmine Krämer, Studierende im 3. Studienjahr (besitzt deutsche und französische Staatsangehörigkeit). Die Zusammensetzung  der Gruppe war darauf ausgerichtet, dass nicht nur eine hochrangige Führungskraft zur Vertragsunterzeichnung, sondern gleichsam eine kompetente Ansprechperson für das beabsichtigte Trainings- und Unterstützungsprogramm sowie eine vom Gastgeber unabhängige Dolmetscherleistung möglich waren.

 

Allgemeine Informationen zu Mali und Bamako

Die Republik Mali ist ein westafrikanischer Binnenstaat. Mit rd. 1,25 Mio. qkm Fläche und rd. 18 Mio. Einwohnern ist der Staat mehr als dreimal so groß wie Deutschland. Mali als Teil der ehemaligen Kolonie Frankreich-Sudan erreichte 1960 seine Unabhängigkeit. Mit Militärputsch 1991 wurde eine neue Verfassung verabschiedet und ein demokratisches Mehrparteiensystem etabliert. Die deutsch-malischen Beziehungen sind eng und vielfältig. Die Malier erinnern immer wieder (auch bei unserer Dienstreise wiederholt!) daran, dass Deutschland im September 1960 als erster Staat die Unabhängigkeit der Republik Mali anerkannte. Deutschland genießt insofern eine sehr hohe Wertschätzung.

Die Bevölkerung Malis setzt sich aus rd. 30 verschiedenen Ethnien mit verschiedenen Sprachen und Kulturen zusammen. Die französische Sprache ist per Verfassung Amtssprache. Daneben werden rund ein Dutzend weitere Sprachen per Gesetz als nationale Sprachen anerkannt. Mali gehört zu den Staaten mit der am schnellsten wachsenden Bevölkerung (Geburtenrate über 6 Kinder pro Frau). Die Bevölkerung ist weit überwiegend (rd. 90 %) muslimisch geprägt.

Die Hauptstadt Bamako, im Südwesten des Staates am Niger gelegen, entspricht mit seinen rd. 2 Mio. Einwohnern einem typischen west- bzw. zentralafrikanischem Schmelztiegel. Das öffentliche Straßennetz ist insbesondere in den Zeiten der Rushhour am Morgen und am Abend und entlang der drei Brücken über den Niger erheblich überlastet. Lediglich die Hauptverkehrswege sind asphaltiert. Ansonsten ist der Straßenzustand geprägt durch unbefestigte Wege, zum Teil mit erheblichen Schlaglöchern und Steinen übersäht.

 

Sicherheitslage in Mali

Als fragiler Staat und Krisenregion ist die Sicherheitslage in Mali durch Anschläge und insbesondere im Norden des Staates durch militärische Kampfhandlungen geprägt. Fast täglich sind Angriffe und Anschläge auf malische und internationale Sicherheitskräfte bzw. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen zu verzeichnen, in aller Regel jedoch außerhalb der Hauptstadt und in den Landesregionen nordöstlich des Niger. Für Staatsangehörige westlicher Staaten besteht ein erhöhtes Anschlags- und Entführungsrisiko, vor allem an von diesen regelmäßig besuchten Orten. Das AA hat daher eine Teilreisewarnung ausgesprochen.

Insofern hatten wir bei der Dienstreise auf den Sicherheitsaspekt größtmögliches Augenmerk gelegt. Aufgrund entsprechender Empfehlungen des Leiters der Dt. Polizeikontingentes in Mali wurde das Hotel „Radisson blu“ in Bamako als Unterkunft gewählt. Das Hotel erlangte zwar im November 2015 durch einen Anschlag mit Geiselnahme und Getöteten international traurige Berühmtheit, es ist jedoch seither durch umfassende Sicherheitsmaßnahmen (u.a. Betretungsschleusen, intensive Verpostung mit schwer bewaffneten Sicherheitskräften) vergleichsweise sicher und wird auch für hochrangige internationale Tagungen genutzt.

 

Ablauf der Dienstreise und Besuche / Gespräche vor Ort

Hin und zurück ging es mit dem Flieger von Hannover über Paris nach Bamako. Bei Ankunft in Bamako erfolgte noch am Gate eine Schleusung in den VIP-Bereich des Flughafens, wo unsere Delegation bereits von PD Tietz und dem Direktor der ENP in Empfang genommen wurde. Ab diesem Zeitpunkt waren wir durchgängig bis zur Abreise in Begleitung von vier Personenschützer der malischen Polizei sowie einem Kradfahrer als Lotsen.

Der erste Tag stand dann ganz im Zeichen der Gewinnung eines allgemeinen Eindrucks von der Hauptstadt. Danach ging es ins Eingemachte. Von Montag bis Mittwoch konnte bei insgesamt 16 Terminen, Besprechungen und Vorstellungen ein umfassender Gesamteindruck von der Lage der Nationalen Polizei von Mali, den von Deutschland unterstützten Aktivitäten der inter- bzw. multinationalen Missionen sowie eine Einschätzung der Dt. Botschaft gewonnen werden. Am letzten Tag erfolgte dann im Direktorat des Chefs der Nationalen Polizei, im Beisein des stellvertretenden Deutschen Botschafters sowie eine Vielzahl von hochrangigen Führungskräften der Malischen Nationalpolizei sowie Vertretern der Friedensmissionen die feierliche Zeremonie zur Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung zwischen ENP und PA.

 

Gespräche mit inter- bzw. multinationalen Organisationen

Einen umfassenden Überblick über das internationale Engagement in Mali konnten wir durch diverse Besuche und Gespräche gewinnen. Herauszuheben sind

  • UNDSS (United Nations Department for Safety and Security)

UNDSS ist weltweit für die Sicherheit und den Schutz des UN-Personals zuständig. Untergebracht in der MINUSMA Operational Base in Flughafennähe erfolgt dort eine Unterweisung zu allen sicherheitsrelevanten Fragen für den Aufenthalt im Land. Wir erhielten eine Unterweisung gemeinsam mit einer Einheit von US-amerikanischen Soldaten, die danach in den umkämpften Norden der Republik weiter reisten.

  • UN-MINUSMA (United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali)

Für Deutschland ist die personelle Beteiligung an Polizeimissionen ein Eckpfeiler des Engagements im Rahmen der UN, der den Ansatz der vernetzten Sicherheit durch Stärkung der zivilen und polizeilichen Komponente konsequent umsetzt. Die Mission MINUSMA sieht aktuell eine Obergrenze für die Polizeikomponente von rd. 1.900 vor. Kernaufgabe ist die Umsetzung des Friedensabkommens von Algier 2015, vor allem die Stärkung staatlicher Autorität im Norden und Zentrum des Staates. Deutschland beteiligt sich derzeit mit 13 Polizeibeamten an der Mission, darunter 2 Niedersachsen. Unser Kollege Tietz ist Leiter des Dt. Kontingentes. Er leitet die „Serious und Organized Crime Support Unit“ und ist dadurch zugleich Vorgesetzter für das „Specialised Training Team“, das u.a. an der Polizeischule in Bamako aktiv ist und Trainings durchführt.

  • EUTM (European Training Mission)

Die militärische Mission dient der Ausbildung und soll die malischen Soldaten in die Lage versetzen, selbst Verantwortung für die Sicherheit in ihrem Land zu übernehmen. In einem Gespräch mit dem Dienstältesten deutschen Offizier wurden Rolle und Funktion der Bundeswehr (Mandat bis 1.000 Soldaten) vorgestellt.

  • EMP (École de Maintien de la Paix)

Ziel der Schule ist im Wesentlichen das Training von afrikanischen Verantwortlichen für UN-Missionen. Die Schule unterrichtet grds. bilingual (englisch und französisch) in Trainings als Militär-, Polizei- und Zivilkomponente.

  • EUCAP Sahel Mali (EU Capacity Building Mission in Mali)

EUCAP Sahel Mali leistet seit 2014 Ausbildung und Beratung zum Kapazitätsaufbau von Nationalpolizei, Nationalgarde und Gendarmerie. Das Ausbildungsprogramm richtet sich vor allem an Polizeikräfte der mittleren und höheren Ebene und beinhaltet ein breites Spektrum an Themen, u.a. auch Vernehmungen und kriminalpolizeiliche Ermittlungen sowie Kampf gegen OK und Terrorismus.

 

Gespräche mit Dienststellen und Einheiten der Nationalpolizei von Mali

Es wurden insgesamt mit 9 Dienststellen / Einheiten der Nationalpolizei Gespräche geführt. Dies waren:

  • ENP (École Nationale de Police Mali)

Die Gespräche mit der ENP bildeten naturgemäß den eindeutigen Schwerpunkt. Bei Ankunft unserer Delegation in der ENP erfolgte eine Begrüßung mit Zeremonie (Polizeiorchester sowie Ehrenformation). Die ENP ist seit 1970 am Standort in Bamako. Sie leistet Aktivitäten in den drei Bereichen Ausbildung, Weiterbildung und Seminare/Konferenzen. Ausbildung betreibt sie für den höheren (Commissiares), gehobenen (Inspecteurs) und mittleren Dienst (Sous-Officiers). Die Grundkurse für den m.D. dauern 6 Monate. Die Anwärter leben in einfachsten Verhältnissen, sind auf dem Gelände in Mehrbettzimmern (60-80 je Zimmer) untergebracht und werden dort auch durchgängig versorgt. Vor wenigen Wochen endete ein Großlehrgang mit rd. 2.200 Anwärtern. Der nächste Lehrgang ist für Januar 2018 vorgesehen. Der Zugang zum g.D. und h.D. erfolgt direkt mit Studium oder über einen Aufstieg (5 Jahre Praxis und Test).

Schwierigkeiten sieht die ENP insbesondere in den Bereichen Didaktik, qualifiziertes Ausbildungspersonal, Sportmaterialien und Mangel an Transportmitteln. In einem Gespräch mit der Schulleitung und 11 Ausbildern / Trainern der ENP wurden offen die seitens der Ausbilder bestehenden Wünsche und Fragestellungen angesprochen.

Es erfolgten Besichtigungen des weitläufigen Geländes, der Unterkünfte, der Schulungsräume, der Schießbahnen, der Bibliothek, der Kriminaltechnik und der Großküche. Insgesamt betrachtet befindet sich die ENP auf einem sehr niedrigen und mit unseren Verhältnissen in keiner Weise vergleichbaren Standard. Es ist jedoch deutlich erkennbar, dass ein sehr hohes Engagement und eine klare Vision in Richtung einer Verbesserung von Qualität, Standard und Akzeptanz bestehen und man sich dahingehend zu entwickeln versucht.

Bei allen Gesprächen wurde glaubhaft betont, dass ein hohes Bestreben nach einer Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen der Bevölkerung und der malischen Nationalpolizei (und insbesondere auch der ENP) besteht und man als Basis hierfür eine gut ausgebildete Polizei erachte.

  • Directorate General de la Police Nationale (DGPN)

Bei einem Empfang beim Generaldirektor des Direktorates der Nationalen Polizei (Chef der Nationalpolizei Mali) betonte dieser die besondere Bedeutung der angestrebten Kooperation zwischen der ENP und der PA.

  • Besuch von Einheiten der Nationalen Polizei

Es wurden folgende Einheiten besucht und dort mit den Führungskräften Gespräche geführt:

Besuch der Spezialeinheit G.I.P.N. (Group d’Intervention de Police Nationale) als Spezialeinheit zur Terrorbekämpfung, vergleichbar einem SEK. Besuch des Commissariat 1er Arrondissement (Innenstadtdienststelle) mit rd. 80 Mitarbeitern. Besuche des Brigade de Moeurs (zuständig insbesondere für Kindswohl sowie Ermittlungen bei sexueller Gewalt, Gewalt gegen Frauen), Brigade de Stupéfiante (Drogenbekämpfung), Brigade d’Investigation Judiciare (Bekämpfung OK, Terrorismus, Cybercrime) sowie der noch im Aufbau befindlichen Einheit PJS/BIS, die in direkter Zusammenarbeit mit Schwerpunktstaatsanwälten den Internationalen Terrorismus bekämpfen soll. Schließlich wurde auch die Direction de la Formation, Division des Sports, besucht. Dort trainieren 34 besonders sportlich begabte Polizeikräfte im Mannschaftssport (u.a. Fußball, Basketball) und in Einzeldisziplinen (u.a. Leichtathletik und Fechten). Bei diesem Besuchspunkt wurden sehr zur Freude unserer Gäste auch zwei vom Niedersächsischen Fußballverband zur Verfügung gestellte hochwertige Fußbälle nebst Schiedsrichterutensilien und Ballpumpe übergeben.

 

Gespräche mit der Deutschen Botschaft in Bamako

Während der Besuchsreise hatten wir auch drei Termine mit dem Dt. Botschafter bzw. seinem Vertreter. Botschafter Dietrich BECKER, der uns in seiner Residenz zu einem einstündigen Gespräch empfing, wies einerseits auf die zunehmend schwierigere Sicherheitslage im Norden und Nordosten des Landes hin. Insgesamt betrachtet lies er seine zunehmende Sorge um die Stabilität der Regierung und bezüglich einer aufkommenden Unruhe in Teilen der Bevölkerung erkennen, was allerdings ausdrücklich nicht auf Bamako und die umliegende Region zutreffe. Andererseits brachte er ausdrücklich seine Unterstützung für die Kooperation zwischen der ENP und der PA zum Ausdruck. Er sehe darin einen richtigen Schritt, um auf Ebene der Institutionen einen unmittelbaren Beitrag zur Stabilisierung zu setzen.

 

Kooperationsvereinbarung

Am letzten Tag der Dienstreise wurde im Rahmen einer feierlichen Zeremonie im Beisein des stellvertretenden Dt. Botschafters, des Generaldirektors der Nationalpolizei Mali, von Repräsentanten der internationalen Missionen sowie zahlreichen hochrangigen Nationalen Polizeiverantwortlichen die Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Sie ist fortan Basis für unsere Zusammenarbeit mit der ENP.

Bereits am Vorabend der Vereinbarungszeichnung haben wir mit dem Direktor der ENP bei einem Arbeitsessen die kommenden Schritte der Ausgestaltung unserer Zusammenarbeit vorbesprochen und abgestimmt. Dies sind:

  • Erarbeitung Qualifizierungskonzept Train the Trainer (pädagogisch-didaktische Qualifizierung, Grundqualifizierung im Bereich Spurensuche und -sicherung)
  • Abstimmung des Konzeptes zwischen ENP und PA
  • Qualifizierung von bis zu 5 Ausbildern in der PA in Hann. Münden (Dauer max. 3 Wochen, in französischer Sprache)
  • 1 – 2 Monate nach Rückkehr der so qualifizierten Trainer im Rahmen einer Mentoringbegleitung der Trainer in Bamako bei konkreten Ausbildungsseminaren für KT / Spurensuche und -sicherung durch erfahrene nds. Polizeitrainer.

 

Besonderheit am Rande

Über einen Kontakt zum Vizepräsidenten des Niedersächsischen Fußballverbandes, dem ehemaligen Kollegen EPHK aD August-Wilhelm Winsmann, konnten wir eine Spende von insgesamt 5 hochwertigen Lederfußbällen mit nach Mali nehmen. In Abstimmung mit dem Direktor der ENP wurden drei der Bälle in einem eigens dafür initiierten Festakt an den für die Liegenschaft zuständigen Bezirksbürgermeister Modibo N’DIAYE zu übergeben. N’DIAYE selbst war als FIFA-Schiedsrichter insbesondere in Afrika aktiv und ist dort recht bekannt. 1971 leitete er in Deutschland ein Freundschaftsspiel des FC Bayern München. Die Aktion der Ballübergabe wurde als ein ganz besonderes Zeichen der Wertschätzung wahrgenommen, zumal damit von uns die enge Zusammenarbeit zwischen Stadtbezirk und Polizeischule unterstützt wurde. Die Kinder und Jugendlichen des Bezirks und einer angrenzenden Schule nutzen intensiv den Sportplatz der ENP mit.

 

Carsten Rose                                                                          Nienburg im November 2017

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