Angesichts der damit verbundenen immensen gesellschaftlichen Gefährdungspotenziale ist die Sensibilisierung für demokratiefeindliche Tendenzen inzwischen längst ein wichtiger Bestandteil polizeilicher Bildungsarbeit, auch und gerade in Niedersachsen. So hat die Polizeiakademie Niedersachsen (PA) in den letzten Jahren ein Bildungskonzept entwickelt, das auf breit gefächerte Impulse in Aus- und Fortbildung, aber auch auf Forschungsbeiträge, Kongresse und die Zusammenarbeit mit zivilen Vereinen setzt. Ziel ist es, durch solche und andere Aktivitäten das Bewusstsein der Polizeibeamtinnen und
-beamten von heute und morgen für Bedrohungen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu schärfen und sie zu einem adäquaten Umgang mit diesen Phänomenen zu befähigen. Daneben möchte die PA mit dazu beitragen, die Erinnerung an die Gräueltaten des Nazi-Regimes wach zu halten.
In der Woche vom 04.07. bis 08.07.2022 waren mit Tswi, Natali und Jessica Herschel daher Shoah-Zeitzeugen aus Israel zu Vorträgen auf mehreren Veranstaltungen der Landespolizei Niedersachsen zu Gast.

Tswi Herschel wurde 1942 in den Niederlanden geboren, wo er, ab dem Säuglingsalter in der Obhut einer christlichen Familie stehend, den Holocaust überlebte. Erst als junger Erwachsener erfuhr er, nun von seiner jüdischen Großmutter aufgenommen, von seiner eigentlichen Herkunft und vom Schicksal seiner Eltern, die im Vernichtungslager Sobibór ermordet worden waren. Um an die Schrecken der NS-Zeit zu erinnern und eindringlich vor einer Wiederholung der damaligen Geschehnisse zu warnen, sieht er es deshalb als seine Aufgabe an, auf Vortragsreisen seine Lebensgeschichte zu erzählen. Dabei wird er regelmäßig von seiner Tochter Natali und anlassbezogen auch durch seine Enkeltochter Jessica begleitet, die die traumatischen Konsequenzen der Verfolgung und Vertreibung von Jüdinnen und Juden für die nächsten Generationen aufzeigen.

Erste Reisestation bildete auf Einladung der PA am 4. Juli 2022 die diesjährige Fortbildungsveranstaltung für Führungskräfte der niedersächsischen Polizei in den Räumlichkeiten des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ im Berliner Bendlerblock.
An den folgenden drei Tagen lag der Fokus der Veranstaltungen, im Beisein geladener Gäste, dagegen ganz auf dem Dialog mit Studierenden der PA. Bevor die Teilnehmenden an den Akademie-Standorten Hann. Münden und Nienburg die bewegenden Vorträge von Tswi und Natali Herschel auf sich wirken lassen konnten, durchliefen sie jeweils ein Programm unter der inhaltlichen Federführung von Lehrkräften und Vertretern der Forschungsstelle für Polizei- und Demokratiegeschichte der PA sowie von zwei Vortragenden des LKA Hannover. Durch ein Eröffnungsreferat mit dem Titel „Polizei und Holocaust – Die besondere Verantwortung der Polizei“ wurde das Publikum zunächst auf die historischen Dimensionen des Themas hin orientiert. Davon ausgehend wurde schließlich der Bogen zur Gegenwart gespannt. Dabei standen mit dem beamtenrechtlichen Diensteid auf dem Boden des Grundgesetzes zum einen die rechtlichen Grundlagen für die Bekämpfung demokratiegefährdender Erscheinungen im Mittelpunkt. Zum anderen ging es anhand eines konkreten Beispiels um präventive Fallarbeit im Phänomenbereich Rechtsextremismus und um Handlungsempfehlungen zum Umgang mit populistischen Strömungen.
Abgerundet wurde der Besuch am 7. Juli 2022 durch eine Veranstaltung im Alten Oldenburger Landtag, die in Kooperation zwischen der PA und der Polizeidirektion Oldenburg unter Leitung von Polizeipräsident Johann Kühme stattfand. Durch die Unterstützung des Vereins der Freunde der Polizeiakademie Niedersachsen e.V. interpretierte der mehrfach preisgekrönte Musiker Goran Stephanovic mit seinem Akkordeon jüdische Lieder und lies so die Veranstaltung in den ehrwürdigen Räumlichkeiten des Alten Landtages zu einem ganz besonders bewegenden Ereignis werden. (Sebastian Knospe, mq)

Vorheriger Beitrag

Alumni Tagung 2022 - "online course creation"

Nächster Beitrag

Polizei.Akademie.Award 2023 - Ausschreibung erfolgt in Kürze