Nach dem Abschluss meines Studiums an der Polizeiakademie im Herbst 2022 erhielt ich, PKin Vivian Schulze (BA 17/19), dank des ERASMUS-Programmes die Möglichkeit, ein zweimonatiges Praktikum bei der niederländischen Polizei in der Stadt Eindhoven zu absolvieren. Dieses Praktikum wurde durch den Förderverein der Polizeiakademie Niedersachsen mit 100 Euro unterstützt.  

Den Großteil meiner Dienste habe ich im Basisteam Eindhoven Süd verrichtet. Das Basisteam ist vom Aufgaben- und Personalumfang etwa vergleichbar mit dem Einsatz- und Streifendienst, der hier noodhulp (dt. Nothilfe) genannt wird. Mitglieder dieses Basisteams übernehmen aber auch andere Aufgaben. So gibt es z.B. für jeden Stadtteil die sogenannten wijkagenten, die mit den niedersächsischen KOB vergleichbar sind. Darüber hinaus werden verschiedene Sonderdienste, wie große Verkehrskontrollen (statisch, dynamisch, zivil, überregional) oder Cannabis-Aktionstage durchgeführt. Besonders in Erinnerung werden mir die Fußstreifen im Zusammenhang mit den Fußballspielen des Europa-Ligisten PSV Eindhoven und in der horeca bleiben. Zu letzteren muss man wissen, dass sich in Eindhoven die längste zusammenhängende Partystraße (Stratumseind) der Niederlande befindet, die jedes Wochenende eine Vielzahl Polizeieinsätze verursacht. Aus diesem Grund wird die Straße und die Umgebung nachts von Polizisten fußläufig bestreift. Auch zwei bis vier Polizeipferde kommen dabei zum Einsatz. Sie sollen die Eigensicherung der Kolleginnen und Kollegen in stressigen Situationen erhöhen. Die enge und sehr laute Arbeitsumgebung, die ich während der Schichten dort erlebt habe, war eine komplett neue und spannende Erfahrung für mich. Aber auch Veranstaltungen, bei denen weniger die Bewältigung polizeilicher Lagen im Vordergrund stand, sondern mehr der Kontakt mit den Bürgern, durfte ich begleiten. Dazu zählen unter anderen der ASML Marathon und das Lichterfest GLOW.

Im Hinblick auf den Aufbau der niederländischen Polizei sind ebenfalls deutliche Unterschiede festzustellen. Die Polizei ist national (und nicht föderal) organisiert, wodurch z.B. Wohnortwechsel sehr viel einfacher sind. Die Strukturen sind weniger autoritär und es gibt weniger unterschiedliche Dienstgrade. Spezialeinheiten sind anders strukturiert und auch die Bereitschaftspolizei ist keine gesonderte Einheit, sondern wird aus dafür ausgebildeten Polizisten des Basisteams gebildet und im Bedarfsbefall aufgerufen. 

Schon relativ zu Beginn meiner Hospitationszeit stellte ich fest, dass sich die polizeiliche Herangehensweise in den Niederlanden nur marginal von der niedersächsischen unterscheidet. Im Hinblick auf die persönliche und technische Ausstattung sind die Kollegen aus dem Nachbarland jedoch fortschrittlicher und umfangreicher ausgestattet. Jeder Beamte besitzt einen persönlich zugewiesenen dienstlichen Laptop und ein Smartphone. So können Vorgänge flexibler und ortsunabhängig, häufig bereits am Einsatzort, bearbeitet werden. Persönliche Daten oder Kennzeichen werden vor Ort eingescannt und Verkehrsordnungswidrigkeiten via “Digibon” geahndet. Die Streifenwagen sind mit Bildschirmen und einer Tastatur ausgestattet und ermöglichen weitgehendere Kommunikations-, Informations- und Abfragemöglichkeiten, die insbesondere bei Einsätzen sehr nützlich sind. Im letzten Jahr wurden für den Einsatzdienst landesweit Elektroschickimpulswaffen (Taser) angeschafft. Im Rahmen eines Trainingstages hatte auch ich die Möglichkeit die Handhabung dieser sowie weiterer Einsatzmittel zu trainieren.

Neben meinem persönlichen Erfahrungszugewinn sorgte das Praktikum gleichsam für einen wechselseitigen kollegialen Austausch. Die Kolleginnen und Kollegen waren sehr aufgeschlossen und bemüht, mir so viel wie möglich von ihrer Arbeit zu zeigen und zu erklären. Gleichzeitig waren viele ebenfalls sehr interessiert an der Polizeiarbeit in Deutschland. Meistens habe ich mich auf Englisch unterhalten. Einige sprechen sogar (fließend) deutsch und mittlerweile fällt es mir vergleichsweise leicht, niederländisch zu verstehen.  

Rückblickend bin ich mehr als dankbar für die Einblicke, die ich durch die Hospitation in Eindhoven erhalten habe. In den verschiedenen Diensten konnte ich eine große Bandbreite der niederländischen Polizeiarbeit kennenlernen und gleichzeitig ein direkter Teil davon sein. Neben den Erfahrungen, die ich für meine weitere dienstliche Zukunft gesammelt habe, habe ich meinen interkulturellen Horizont erweitert und sowohl meine Englisch – als auch meine Niederländisch -Sprachkenntnisse vertieft. Ich möchte die Zeit dort nicht missen und kann jedem, der eine solche Möglichkeit bekommt, nur empfehlen, sie wahrzunehmen. 

(Schulze)

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